Hörspielbearbeitung

Autor/Autorin: Ezra Pound

Cantos

Vorlage: Die Cantos (The Cantos) (Gesänge, amerikanisch)
Übersetzung: Eva Hesse, Manfred Pfister, Rainer G. Schmidt
Bearbeitung (Wort): Christian Bertram
Komposition: Gebrüder Teichmann
Redaktion: Peter Liermann
Dramaturgie: Peter Liermann
Technische Realisierung: Thomas Rombach, André Bouchareb, Andreas Stoffels, Eugenie Kleesattel
Regieassistenz: Herta Steinmetz, Gerald Michel

Regie: Christian Bertram

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/Sprecherin
    Michael Rotschopf
    Jürgen Holtz
    Friedhelm Ptok
    Imogen Kogge
    Patrick Güldenberg
    Christopher Nell
    Lisa Hrdina
    Friederike Ott
    Elena Schmidt
    Philippe Ledun
    Antonin Dubois
    Oliver Konietzny

Grundlage des Radiostücks ist eine von Christian Bertram besorgte Auswahl von Texten aus dem Hauptwerk des amerikanischen Dichters und Avantgardisten Ezra Pound (1885–1972), den Cantos – Gesänge, die erst 2012 in ihrer Gesamtheit auf Deutsch und Englisch im Arche-Verlag erschienen. Die Cantos entstanden in einem über fünfzig Jahre währenden "work-in-progress" und zählen zu den wichtigsten und einflussreichsten Epen moderner Dichtung. Sie sind ein figurenreicher, vielstimmiger und lebensbejahender Gesang, dessen polyphone akustische Umsetzung einen unmittelbaren, lebendigen und poetischen Zugang zu Pound, seiner hohen sprachlichen und bildhaften Intensität, eröffnet und eine Ahnung davon vermittelt, was Dichtung sein kann. Pound begann die Cantos 1915 in unmittelbarer Reaktion auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. In Schüben veröffentlichte er bis in die 60er Jahre neun Blöcke mit über 110 Cantos. Aus diesem Konvolut hat Christian Bertram knapp dreißig Cantos ausgewählt, die essentielle und elementare Themen und Motive des Gesamtwerks vergegenwärtigen. Durchgehendes erzählerisches Prinzip des Hörspiels ist die Verwandlung. In seinem Epos nimmt Pound raffinierte dramaturgische Rückbindungen vor, versetzt Gegenwärtiges in die Vergangenheit und umgekehrt. Bögen werden gespannt von den modernen Großkriegen zu Homers Odyssee, von der Finanzindustrie zu den "Höllenzecken" in Dantes Inferno. Dokumentarisches fließt ein, aber auch Noten und viel Musikalisches. Auf der Suche nach Lösungen aus Chaos und Krieg wird Tradiertes aus der Antike, Afrika und China neu belebt, Kulturkreise werden in Verbindung gesetzt (z.B. Konfuzius und das alte Griechenland), um "eine Brücke zu schlagen über Welten" (Pound). Geglückte Momente der Geschichte, Beispiele eines guten und gerechten Regierens werden aufgerufen, Wege zur Natur aufgezeigt, um die Zerstörung von Lebensräumen aufzuhalten. Negativer Schlüsselbegriff ist in diesem Zusammenhang "Usura", die krankhafte Habgier und die Geldschöpfung aus dem Nichts entgegen der Natur. Pounds utopisches Ziel ist es, nicht ein himmlisches, sondern ein "irdisches Paradiso" zu schaffen. Dieses ganz pragmatisch verstandene Paradiso-Projekt zieht sich wie ein roter Faden durch das Hörstück. Stets geht es darum, neue Denk- und Handlungsräume zu erschließen. Dabei variieren die Erzählsituationen und Haltungen zwischen Bericht, provokatorischer Rede, szenischen Dialogen, Rezitation, Lecture, Aufrufung, Feier, Manifest, Gesang und Klang. Aus den Cantos sprechen viele Stimmen und Erzähler. Zeitgenossen, historische und mythologische Gestalten treten auf und mit ihnen eine Vielzahl von Sprachen. Über "Personae" zu reden und in historischen Masken zu erscheinen, war eine gängige Praxis von Pound. Es war Marshall McLuhan, der spätere Pop-Star der Medientheorie, der mit Pound korrespondierte und die Cantos mit dem Medium der modernen Radiokultur verglich. Und in der Tat sind die Cantos als "mixtum compositum" und mit ihrem Netz von kalkulierten Koordinaten ein Medium par excellence, eine keineswegs willkürliche Komposition, die sich gerade für das Hörspiel eignet. Das Stück versucht nicht Pounds Widersprüche und Abirrungen zu leugnen oder sie einzuebnen. Es lebt gerade aus dem provozierenden Neben- und Gegeneinander und der Energie überschießender Poundscher Form- und Sprachgestaltung. Gegensätzliche Tendenzen sind ineinander verschränkt, reiben sich aneinander und offenbaren doch letztlich einen Sinnzusammenhalt von großer ethischer Klarheit.

Weitere Informationen
Ezra Weston Loomis Pound, geboren 1885 in Hailey (Idaho). Studienaufenthalt in Spanien. Von 1909–1920 in London, 1920–1924 in Paris. 1924–1945 in Rapallo. Hielt im Zweiten Weltkrieg über Radio Rom antiamerikanische Propagandareden. Wurde 1945 von den Amerikanern inhaftiert und in ein Lager bei Pisa gebracht, wo er drei Wochen in einem Metallkäfig in Einzelhaft verbrachte. Entstehung der Pisaner Cantos. Erhielt vom Preisgericht der American Library of Congress den Bollingen-Preis, die höchste amerikanische literarische Auszeichnung. Entging dadurch einem Hochverratsprozess. 1946 Einweisung in das St. Elizabeth’s Hospital für kriminelle Geisteskranke in Washington. 1958 Entlassung. Lebte anschließend in Meran und Venedig, wo er am 1. November 1972 starb. Im Arche Literatur Verlag erschienen 2012 erstmals sämtliche Cantos in einem Band.

Christian Bertram, geboren 1952, inszenierte für Theater und Rundfunk poetische und dramatische Stoffe zumeist nach eigenen Bearbeitungen, u.a. von Beckett, Celan, Corneille, Duras, Genet, Robert Walser, Ernst Jünger, Klossowski, Rilke, Melville. Der Regisseur ist auch immer wieder Initiator und Veranstalter von spartenübergreifenden Kunst- und Kulturprojekten und führt seit 2015 zusammen mit Simone Bernet die Galerie Bernet Bertram in Berlin.

Michael Rotschopf (li. oben), Christopher Nell, Elena Schmidt (li. unten) und Lisa Hrdina
© Christian Bertram/HR
Michael Rotschopf (li. oben), Christopher Nell, Elena Schmidt (li. unten) und Lisa Hrdina © Christian Bertram/HR

Produktions- und Sendedaten

  • Hessischer Rundfunk / Deutschlandfunk 2017
  • Erstsendung: 27.06.2018 | hr2-kultur | 88'04

Rezensionen (Auswahl)

  • Norbert Schachtsiek-Freitag: Komplexe Rezitation. In: Medienkorrespondenz. 29.06.2018. S. 51.
  • Stefan Fischer: Irdisches Paradies. In: Süddeutsche Zeitung vom 27.6.2018. S. 15.
  • Dietmar Dath: Das Rauschen wird immer genauer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.6.2018. S. 17.
  • Eva-Maria Lenz: Extreme Emotionen. In: epd medien vom 13.07.2018., S. 30

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