ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Verfahren
Der NSU-Prozess als gespenstische Groteske
Redaktion: Isabel Platthaus
Technische Realisierung: Jürgen Glosemeyer, Barbara Göbel
Regieassistenz: Fabio Neis
Regie: Hannah Georgi
Es war das spektakulärste Strafverfahren der Nachwendezeit. Kathrin Röggla destilliert aus dem NSU-Prozess eine gespenstische Groteske. Der Prozess um die NSU-Morde hat über fünf Jahre gedauert. Doch es wurde längst nicht alles aufgeklärt, was von dem Verfahren erwartet wurde. Darum ist der Prozess für viele ganz und gar nicht abgeschlossen. „Verfahren“ greift diesen Zustand auf. Auch hier ist die Gerichtsverhandlung längst vorbei und geht doch geisterhaft immer weiter. Wir hören ein Echo: Sind es die Stimmen von Richter, Staatsanwaltschaft, Verteidigung oder Zeugen, die in den Mikrofonen des Verhandlungssaals gefangen sind und verzweifelt versuchen, dieser Echokammer zu entkommen? Oder hören wir dem Gerichtspublikum auf der Empore zu, den Bescheidwissern und Engagierten aus der ersten Reihe, die von den Dämonen des Prozesses besetzt sind? Immer wieder eröffnet das Hohe Gericht einen neuen Verhandlungstag, wird ein weiterer Zeuge aufgerufen, beharken sich die alten und die neuen Verteidiger, wird über den Gegenstand dieses Prozesses gestritten. Es ist eine Instanz unter Wiederholungszwang, die ein Verfahren führt, das längst woanders stattfindet.
Kathrin Röggla, geb. 1971, österreichische Autorin. Theaterstücke u.a. die beteiligten (2009), worst case (2010, Nestroy-Theaterpreis Bestes Stück – Autorenpreis), BR-Hörspiele u.a. really ground zero – anweisungen zum 11. september (2002, Radio-Preis der RIAS Berlin Kommission 2003), die alarmbereiten (2009, Hörspiel des Monats August 2009), publikumsberatung (2011, Hörspiel des Monats Januar 2011), Normalverdiener (2016).