ARD-Hörspieldatenbank

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Sendespiel (Hörspielbearbeitung)



Peter Werth

Sankt Elmsfüer

in veer Wachen


Vorlage: Sankt Elmsfüer (Theaterstück)

"Kajüt von de Hamborger Bark "Martha Christina" / No de eerste Hiev in de Hamborger Hoof / De letzten dree Wachen up hoge See. / Tied: Uem achteinhunnertachtzig."

"Alle vier Aufzüge dieses Schauspiels sollen auf einer Bühne gezeigt werden, die "die erste Kajüte der Hamburger Bark Martha Christine" darstellt. Daraus erwachsen erhebliche Schwierigkeiten. Nicht im ersten Akt, wo die Bark im Hamburger Hafen liegt, aber in drei andern, "auf hoher See", zur Zeit eines gewaltigen Taifuns. Die wilde Bewegung, das Schlingern und Stampfen der Bark, ist kaum in überzeugender Weise nachzuahmen. Wohl aber kann durch den Rundfunk das Heulen des Sturms, das Herniedersausen der Besahnstange auf Deck, das Zerschlagen des Oberlichts der Kajüte völlig "echt" gebracht und dadurch leicht vor dem geistigen Auge des Hörers ein Bild geweckt werden, demgegenüber die Bühne stets etwas Unvollkommenes zeigen wird. Die Handlung spielt um 1880. Wir kennen heute kaum noch diese, fast der jüngsten Vergangenheit angehörigen Zustände, wo das Segelschiff das Meer beherrschte. Aber solcher Kapitän, solcher Steuermann, solcher Lotse, die sind noch unverändert anzutreffen. Das Wesen der Menschen ändert sich nicht leicht, und der Dichter hat seine Gestalten scharf beobachtet und lebenswahr wiedergegeben. Ausgezeichnet ist auch die Gestalt der Kapitänstochter, die zwischen zwei Männern steht, den Kranken liebt, den Starken, Gesunden zunächst nur achtet und schätzt, dann aber in der Stunde, wo es um Leben und Tod geht, aus dieser Achtung zur wahren Liebe hingerissen wird. Und dabei kämpft sie noch den Kampf in ihrem Innern, ob sie die Verbundenheit zu dem Sterbenden gestehen soll, oder ob sie verzichten muß aus Achtung vor der großen Liebe des jetzt auch von ihr Geliebten. Dazu kommt der aufflackernde Schein der Eifersucht, die zwar als widersinnig von vornherein erkannt wird - denn wie soll man auf einen todsiechen Mann eifersüchtig sein? - die aber doch die an sich schon packende Handlung erheblich fördert und der Lösung näherbringt. Es fehlt auch nicht an fröhlichen Gestalten und Auftritten. Da wird der Exzellenz der "Kakerlatsche" aus der Schüssel gefischt. "Schmecken auch gar nicht mal schlecht." - Der Chinese mit seinem Pidgin-Englisch, dem der Kapitän aufs Wort glaubt, nimmt " 'n Lütten" aus "des Alten" Boonekamp-Flasche und raucht des Kapitäns Pfeife. Die beiden Jungs, der Plattdeutsche und der "Quiddje", sind nicht nur zu Anfang, sondern insbesondere auch während der Sturmszene fein gezeichnet. Und schließlich ist der Kapitän im besten Sinne des Wortes ein "oller Seebär", der sein Schiff und seine Leute kennt, und der auch seiner Tochter ins Herz zu sehen versteht. Alle Gestalten, die auftreten und irgendwie mit der Wasserkante zu tun haben, sind so sicher gezeichnet, daß wir ohne weiteres vermuten, der Dichter selbst - wer mag Peter Werth sein? - stammte auch daher und wirkte dort. Eigentlich wollte er sich Peter Wertheimer nennen; dann hat er aber die kürzere Form gewählt. Sein erster Einakter "Mann über Bord", erschien 1899 unter dem Namen Julius C. Saar. Später ist es bei Peter Werth geblieben, und eine ganze Reihe von Stücken ist vornehmlich in Hamburg und Altona immer wieder über die Bühnen gegangen. Nur Eingeweihte wußten, daß sich hinter dem Decknamen Julius Cäsar Stülcken verbarg, der weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannte Kaufmann und Werftbesitzer. Er ist am 21. Januar 1925, nur 58 Jahre alt, gestorben - einer der wenigen Männer, die sich als Industrieller, als Kaufmann und zugleich als Künstler schöpferisch betätigt. haben." (Die Norag. 6. Jahrgang. Nr. 36 vom 06. September 1929. S. 11.)

"Der dramatische Vorwurf, den Peter Werth im Sankt Elmsfüer zu gestalten versuchte, ist dem Gedanken nach kein neuer Einfall. Das ist aber ja an für sich noch kein Nachteil, wenn es dem Dichter nur gelingt, seine Idee mit neuen Mitteln, neuen Lebensdeutungen und Ausblicken zu vertiefen. Peter Werth ist das allerdings nicht ganz gelungen. Die innere Handlung vollzieht sich ohne tiefere Anlage, die seelischen Konflikte sind zu matt dargestellt, und seine Motive liegen zu sehr an der geistigen Oberfläche, daß wir von der inneren Notwendigkeit der ganzen Handlung uns nicht überzeugen können. Seine Dialoge sind unnötig in die Länge gezogen, was bei dem Mangel an Tiefenführung doppelt stört. Selbst in der gigantischen Umgebung des Sturmes wachsen seine Menschen nicht über eine bescheidene Mittelmäßigkeit hinaus, nirgendwo ist es dem Dichter gelungen, die Handlung in das Typischgültige hinaufzuführen. Vielleicht hätte er den Stoff in der Form einer Geschichte besser auswerten können, dramatisch wirkt die Sache doch allzu ärmlich. Die Niederdeutsche Bühne hatte sich mit Liebe des Stückes angenommen. Aber selbst ihr darstellerisches Bemühen konnte die Schwächen des Stückes nicht auswischen." (Der Rundfunkhörer, 6. Jg., Heft 21 vom 20. September 1929, S. 11)

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Hermann MöllerKaptain Tönjes Bockelmann von de Hamborger Bark "Martha Christina"
Käte AlvingLene Bockelmann, sin Dochter
Rudolf BeiswangerJürgen Friese, erste Stüermann
Herbert BuckWilly, Decksjung
Otto LüthjeFranz, Kajütsjung
Kurt Max WieskeWhampoo-Alihn, Kock und Steward
Richard OhnsorgBreckwoldt, Lotse
Karl PündterExzellenz von Engern
Hans BaasAlfred von Engern


 


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Hörspiel historisch (vor 1933) - © DRA/Hanni Forrer


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

NORAG - Nordische Rundfunk AG (Hamburg) 1929

Erstsendung: 12.09.1929 | 20:00 Uhr | ca. 140'00


Livesendung ohne Aufzeichnung


Grundlage der Datenerhebung: Der Deutsche Rundfunk (Programmzeitschrift); Die Norag (Programmzeitschrift); Der Rundfunkhörer (Programmzeitschrift)


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