ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Die Offenbarung des Daniel Paul Schreber
Technische Realisierung: Günter Heß, Angelika Haller
Regieassistenz: Holger Buck
Realisation: Martin Burckhardt
Irgendwann, im Laufe des Jahres 1894, explodierte der Kopf des Senatspräsidenten Daniel Paul Schreber, worauf er, der Sohn des Schrebergartenschrebers, sich in einer Nervenheilanstalt wiederfand, umgeben von Geisterbildern, Phantomen, "flüchtig hingemachten Männern", von denen er gewiß glaubte, daß es sich nur um Attrappen und Luftgespinste handelte. Mehr noch: diese Phantome, die eigentlich Nervenstrahlen waren, wanderten in ihn ein. Sie begannen zu sprechen. Nur daß ihr körperloses Sagen sich artikulierte als eine Art des Ver-Sagens - als ein Verschwinden des Sinns und der Sinne. Schreber ist tot, sein Wahn jedoch hat alle Deutungsversuche überlebt. Wir hängen im Netz, das der Schreberschen Nervenapparatur so überaus verwandt ist, wir sind umgeben von Apparaturen, die strukturiert sind wie der Schrebersche Wahn. Ein einziges telegenes Geplapper, Geplauder, ein "SagenVersagen" ringsum. Und weil die Sprechmaschinen überall sind, bilden die Schreberschen "Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken" das Material für Martin Burckhardts Versuch, diesen Lauf in die Irre für ein akustisches Szenario zu nutzen. So daß die Rede des irren Senatspräsidenten ihm als Fremdenführer fungiert, in jene sonderbare Gegenwart, wo das Sagenwollen versagt, wo der Satz zum Versatz wird, die Stimme zum Stimmaterial - und weil alles hier durcheinandergeht, betreibt Burckhardt Reststoffverwertung und ordnet sein Material neu: zu Litaneien, Chören und Rezitativen.