ARD-Hörspieldatenbank
Hörspiel
Die lange Weile der Briefe danach
Komposition: Matthias Wiesner
Technische Realisierung: Daniel Velasco, Michael Fuhswinkel
Regie: Georg Bühren
Bis nach Ermenoville soll er gewallfahrtet sein, der "Kohlenbaron" Levin von Alversfeldt, zum letzten Asyl seines großen Vorbildes Jean-Jacques Rousseau. Der knallharte Frühkapitalist ist ach so zart besaitet in seiner Schwärmerei für sein Idol. Der "Emile"... die "Heloise"... Levin von Alversfeldt ist gefesselt, gefangen, berauscht: Zurück zur Natur! Das heißt für ihn, ganz wörtlich genommen, daß er auch das Naturkind finden muß, die schöne Unschuld vom Lande. So reist der Kohlenbaron von Witten an der Ruhr ins nördliche Münsterland, wo er sie in der Heide findet. Die Schöne, der Bauernkate vor den Augen der machtlos wortlosen Eltern entrissen, wird seine Frau und - ein wenig - standesgemäß domestiziert. Die schnell in den Stand des Adels versetzte Anna Maria Sils von Silshoven wird des hochdeutschen Sprechens, des Lesens und des Schreibens kundig gemacht. Später, als der Rausch des Barons verflogen ist, wird die wie nach dem Leitfaden des "Emile" Erhobene und Erzogene ihm Briefe schreiben, in langen, einsamen Jahren, in schwerfälligem, falschem Deutsch und ihn beschimpfen, grob und schonungslos in ihrem Dialekt.