ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Der Schal, das Herz, die Uhr
Redaktion: Gabriele Bigott
Technische Realisierung: Peter Kainz
Regie: Karlheinz Liefers
Der grüne Schal, den die Frau in der Straßenbahn um den Hals trägt, das Herz, das in den Brunnen gefallen, die Uhr, die längst stehengeblieben ist - das sind Bruchstücke einer Erinnerung. Ein Mann erinnert sich, läßt sich auf ein Gedankenspiel ein, in dem sich Geschehenes und Nicht-Geschehenes, Erlebtes und Verdrängtes mischen. In der Starßenbahn hat ihn eine Frau nach der Zeit gefragt, die Frau mit dem grünen Schal. Vielleicht war sie ja nicht ganz bei Trost, wie sonst soll er sich ihre andere Frage erklären: "Sie waren Soldat?" - Der Mann war Soldat, wie andere Männer auch, er hat zum Wohl des Volkes Klos geschrubbt und beim Gefechtschießen mit scharfer Munition die Kanone abgefeuert. Befehl ist Befehl, da gibt es kein Nachdenken. Das lernt jeder Soldat. Aber was hätte er getan, wenn er im Krieg gewesen wäre, in einem der Kriege, die ihm nur in Schlagzeilen und Sensationsfotos begegen? Würde er die Frau mit dem grünen Schal vergewaltigen, auf Befehl vergewaltigen? Und wie hat er sich eine Vergewaltigung auf Befehl vorzustellen? - Der Mann, der in der Straßenbahn die Frau mit dem grünen Schal getroffen hat, stellt es sich vor: den blinden Gehorsam, die insgeheime Lust und endlich - mühevoll - die Verweigerung.