ARD-Hörspieldatenbank

Originalhörspiel
Die Wörtlichkeit der Sehnsucht
Regie: Christian Gebert
Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit sind moralische Postulate, die im alltäglichen Leben bewußt oder unbewußt relativiert, abgetan oder pervertiert werden. Unbequemer Einspruch gegen solche pragmatische Bewältigung des Daseins gilt vielen als idealistisch, unrealistisch - oder pubertär. Von der Pubertät, nicht nur der biologischen, handelt Genazinos neuestes Hörspiel, von Kindern, die jenen moralischen Anspruch an ihre Eltern, Mitmenschen und sich selbst um so absoluter stellen, je weniger sie ihn in der von ihnen erfahrenen Welt verwirklicht sehen. An ihren Vorbildern erkennen sie, daß hoch angesetzte Hoffnung - die "Wörtlichkeit der Sehnsucht" - bis heute keinen anderen Weg gefunden hat als den der Resignation oder des Zynismus.
Genazino selbst sieht es so: "Der 14jährige Jonathan spielt einen Traum durch: Was wäre, wenn ich gar nicht der sein müsste, der ich bin oder immer mehr werde, wenn ich ein moralstarkes Leben ohne die Verluste der Anpassung führen könnte? Jonathan hat den Wunsch sein Gedächtnis zu verlieren, er will sich andere Eltern suchen. Gegen die Tricks des Erwachsenwerdens, das ihm real bevorsteht, setzt er die Idee einer Traumflucht, die ihn ein für allemal von anrüchigen Kompromissen befreit. Er will nicht erkennen, daß es das, was er sich so heftig wünscht, nicht gibt: ein schmerzfreies Leben." (Wilhelm Genazino)