Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Antonin Pridal
Alle meine Stimmen
übersetzt aus dem Tschechischen
Übersetzung: Heinrich Kunstmann
Komposition: Mardz Bedrich
Regie: Petr Adler
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Gerd Baltus Frantisek Maria Barring Nadja Karin Buchali Französin Marianne Kehlau Deutsche Alf Marholm Franzose Hans-Peter Thielen Deutscher Alfred Abel-Adermann Neger (historische Rollenbezeichnung) Klaus-Dieter Pittrich Neger (historische Rollenbezeichnung) Heinrich Fendel Neger (historische Rollenbezeichnung) Josef Meinertzhagen Redner Gisela Keiner Mädchen Sigrid Tarun Mädchen Magda Hennings Verwandte Johanna Koch-Bauer Verwandte Carla Neizel Frau Margret von Munster Frau Ruth Pera Frau
Mit diesem formal verschachtelten Hörspiel gewann der tschechische
Autor den letztjährigen internen Wettbewerb von Radio Prag. Der
Regisseur der tschechischen Produktion, Peter Adler, wurde auch für
die Inszenierung der deutschen Erstsendung gewonnen.
Der junge Mann, der der Held dieser Begebenheit sein möchte, gefällt
sich in gleich mehreren Rollen. Er begehrt, ein vollkommener und
vollkommen geliebter Liebhaber, ein Freund der Leidenden, ein
Verteidiger der Beleidigten und ein Richter der Feiglinge zu sein.
Dieses Begehren hat alle Merkmale einer romantischen Liebe: Sie ist
leidenschaftlich, aufrichtig, rücksichtslos. Er will alles beherrschen
und muss sich daher eine Welt schaffen, in der alle diese schönen
Rollen auf einmal erreichbar sind.
Wie schafft man eine solche Welt? Durch gründliche Vereinfachung der
wirklichen Welt. Mehr Licht auf die eine Seite, mehr Finsternis auf
die andere. Rebelliert dann jemand gegen den ihm zugewiesenen Platz,
gegen den ihm zugewiesenen Charakter, muss er angeschrien und belehrt
werden, so dass ihm keine andere Wahl bleibt. "Stört meine Spiele
nicht", fordert der Held von seinen Partnern. "Ich hindere Euch zwar
nicht daran, dass Ihr improvisiert, aber seid im Kern so, wie ich Euch
haben will."
Es ist die Welt der bequemen Phantasie. Sie grenzt an die wirkliche
Welt, aber sie ist interessanter, abenteuerlicher, erfreulicher. Man
kann sich in ihr mit mehr Hoffnung, mit größerer Selbstsicherheit und
besseren Vorstellungen von sich selbst bewegen.
Doch die Strafe kommt von einer anderen Seite. Aus einer weniger
einfachen, weniger abenteuerlichen, weniger erhebenden Welt. Dass
Nadja ihn verlässt, ist die erste Warnung, nur Frederik versteht sie
nicht. Zum Schluss verlassen ihn zusammen mit dem wirklichen alten
Mann auch die unwirklichen Stimmen. Frantisek kann nicht mehr Trost
erwarten, als er selbst zu geben imstande war. Er muss erwachen und
erkennen, dass ihm nichts geblieben ist. Wenn gleich diese Strafe
bildlich ist, so gehört sie nicht mehr zu den Träumen und Illusionen.
Es bleiben ein leeres Zimmer, leere Kleider, leere Platten.
Verlassene, einsame Dinge. Wirkliche Dinge.
Der Beerdigungsredner hatte Recht: Auch eine Tausendmeilenreise
beginnt immer mit dem ersten Schritt.

Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1968
- Erstsendung: 05.06.1968 | WDR 1 | 51'15