ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung
1888 - Pasenow oder die Romantik (3. Teil)
Vorlage: Die Schlafwandler (Romantrilogie)
Bearbeitung (Wort): Klaus Buhlert
Komposition: Klaus Buhlert
Technische Realisierung: Wilfried Hauer, Susanne Herzig
Regieassistenz: Stefanie Ramb
Regie: Klaus Buhlert
Diese Hörspiel-Trilogie wird insgesamt zwölf Stunden bzw. Teile umfassen: 1888 - Pasenow oder die Romantik (3 Teile), 1903 - Esch oder die Anarchie (4 Teile), 1918 - Huguenau oder die Sachlichkeit (5 Teile). Diese hörspiel-künstlerische Auseinandersetzung mit dem seinerzeit gefeierten, derzeit zu wenig beachteten Autor und seinem Werk "Die Schlafwandler" wird 2008 in begleitenden Sendungen eine Vertiefung finden und die Bedeutung Brochs für die Entwicklung des modernen Romans beleuchten. Brochs erstes großes literarisches Werk, "Die Schlafwandler", entstand im Zeitraum zwischen 1928 und 1931. Untergliedert in die Jahre 1888, 1903 und 1918 gewährt die Trilogie "Die Schlafwandler" Einblicke in drei zeitliche und gesellschaftliche Etappen in Deutschland: Von der ausklingenden 'Romantik' des späten 19. Jahrhunderts über die 'Anarchie' zur sogenannten 'Sachlichkeit' der Nachkriegsepoche verhandelt sie in diesem geschichtlichen Querschnittspanorama den 'Zerfall der Werte'. Zentrale Figur im ersten Roman ist der junge Leutnant Joachim von Pasenow, Sohn eines wohlhabenden Gutsbesitzers, der aufgrund seiner militärischen Laufbahn in Berlin lebt. Dort beginnt Joachim die zunächst heimliche Liaison mit der böhmischen Prostituierten Ruzena und bricht damit die standesgemäßen Übereinkünfte und elterlichen Erwartungen, die Tochter des Nachbargutes zu ehelichen. Diese Überschreitung begeht Pasenow nicht aus einer bewusst rebellierenden Haltung heraus, sondern aus einer unbewussten, schlafwandlerischen Suche nach Lebenssinn. Den größten Halt in dieser Phase der Neuorientierung erfährt er im Bewahren der äußeren Form. Ritualisierte Umgangsformen und das Tragen der offiziösen Uniform ("in ihr ist eine bessere Ordnung der Dinge zu finden") sind Pasenows Anker, mit denen er sich vor der Entwurzelung zu schützen versucht. Seine Abneigung gegen das Zivilistische und die gleichzeitig von diesem ausgehende Anziehung äußert sich vor allem im Verhältnis zu Eduard von Bertrand, seinem ehemaligen Militärkameraden. Bertrands emanzipierter Lebensentwurf - er hat den militärischen Dienst quittiert und ist nun ein erfolgreicher und international wirkender Geschäftsmann - wird von Joachim einerseits als bedrohlich wahrgenommen, andererseits orientiert er sich an dessen Reden und Denken. Joachim Pasenows Bruder Helmuth, der als Erstgeborener das elterliche Gut leitete, kommt in einem Duell ums Leben. Der alte Pasenow, ein gefürchteter Despot ("es gab Menschen, die ein merkwürdiges und unerklärliches Gefühl der Abneigung verspürten, wenn sie ihn über die Straßen Berlins daherkommen sahen, ja, die in ihrer Abneigung sogar behaupteten, dass dies ein böser alter Mann sein müsse"), verliert über den Tod des Bruders den Verstand und konfrontiert Joachim mit schweren Vorwürfen. Immer noch bestimmt von einem starken Gefühl der Desintegration und außerdem beeinflusst von der Ermunterung Bertrands, fügt sich Joachim den Hochzeitsplänen des Vaters und hält um die Hand der jungen Adligen Elisabeth Baddensen an. In Elisabeth sieht Joachim die Werte und traditionelle Religiosität seiner eigenen Herkunft verkörpert und durch eine Ehe mit ihr die endgültige Rückkehr in den Schoß des Vertrauten besiegelt.
Hermann Broch, geboren am 1. November 1886 in Wien, gestorben am 30. Mai 1951 in New Haven, USA, war ein österreichischer Schriftsteller. Der Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten absolvierte eine technische Ausbildung zum Textilingenieur und war bis 1927 leitender Direktor der väterlichen Firma. Von 1928 bis 1931 studierte er Mathematik, Philosophie und Psychologie. 1935 verlagerte er seinen Wohnsitz nach Tirol, später in die Steiermark. 1938 erfolgte seine Inhaftierung durch die Nazis. Mit Hilfe von James Joyce gelang ihm die Ausreise nach England. Von dort aus emigrierte er, auf Betreiben von Thomas Mann und Albert Einstein, in die USA. Broch verfasste wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Psychologie, Politik und Philosophie. Ab 1950 lehrte er als Professor an der Yale-Universität. Zu seinen wissenschaftlichen Schriften gehören u.a. "Logik einer zerfallenden Welt" (1930), "Das Böse im Wertesystem der Kunst" (1933), "Geist und Zeitgeist" (1934), "Hofmannsthal und seine Zeit" (1951, 1955), "Massenpsychologie" (1959). Außerdem schrieb er die Romane "Die Schlafwandler" (Romantrilogie, 1931/1932), "Die Unbekannte Größe" (1933), "Bergroman" (entstanden zwischen 1935 und 1951, erschienen unter dem Titel "Der Versucher", 1953), "Der Tod des Vergil" (1945), sowie "Die Schuldlosen" (Roman in 11 Erzählungen, 1950).