ARD-Hörspieldatenbank


Originalhörspiel



Hermann Bohlen

Angriff ist die beste Verteidigung

Ein von Ror Wolf vorgelassenes Hörspiel von Hermann Bohlen


Redaktion: Hans Burkhard Schlichting, Iris Drögekamp


Realisation: Hermann Bohlen

In einem Interview hatte er es öffentlich angekündigt: Er werde sein akustisches Archiv in Kürze vernichten. Mit dieser Äußerung erschreckte Ror Wolf 2006 die literarische Öffentlichkeit. Denn das Archiv war nicht nur legendär als gigantische Sample-Bank und hatte Kunst hervorgebracht. Es war selbst Kunst. Ror Wolf war in den sechziger und siebziger Jahren losgezogen und hatte die Stimmungen in Stadien, Fanclubs und beim Training mit dem Mikrofon eingefangen. Er hatte Bundesligakonferenzen und Fußballreportagen mitgeschnitten, um daraus weiteres Material zu gewinnen. Es wanderten aber keine vollständigen Reportagen ins Archiv, sondern, nachdem sie kurz und klein geschnitten waren, ein in vielen Arbeitsgängen entstandener Extrakt: zehntausende von Sätzen oder auch nur Satzpartikeln, sorgfältig transkribiert und in mehr als 50 Kategorien auf Tonband festgehalten. Nach Gesprächen mit der SWR-Dramaturgie änderte Ror Wolf seinen Plan, räumte dem Marbacher Literaturarchiv die wissenschaftliche Auswertung und dem SWR die abgestimmte radiophone Nutzung ein. Und nicht zuletzt vertraute er den Schatz an wohlsortierten Sätzen und Satzpartikeln jemandem an, der was damit anfangen kann: Hermann Bohlen. Sein Stück heißt "Angriff ist die beste Verteidigung" und fügt die versprengten Sätze wieder zusammen. Ja, das was Wolf so sorgfältig auseinandergeschnitten hat, versucht Bohlen wie ein verrückter Mitarbeiter der Gauckbehörde wieder zusammenzukleben. Seht ihr ihn? Da sitzt er in den Nächten am Computer, sein Gesicht erhellt vom Flackern des Bildschirms, und frickelt die Schnipsel wieder zu einer Erzählung zusammen. Aber natürlich geht das nicht, zu groß sind die Lücken wie auch die Wörterhaufen dazwischen. So kommt es zu einem Übermaß an "Möglichkeiten", Übergriffen, Angriffen, Verletzungen, Verstümmelungen, es spielen mehrere Nationen gleichzeitig, viele Wetter, alle denkbaren Bodenverhältnisse. Das Fußballfeld ein riesiges Schlachtfeld, aufgeweicht von zu vielen Regen- und Schneefällen. Die Spieler verkrustet, verklebt und nicht in der gewohnten Fortbewegung, sondern häufig in der Luft oder in der Horizontalen, liegend und fliegend. Eine fantastische Landschaft, in der sich das Spiel ereignet.

Hermann Bohlen, geboren 1963 in Celle, lebt als Hörspielmacher in Berlin. Er studierte, nach einer Schiffsmaklerlehre, Sinologie in Hamburg, Berlin und Shanghai. 1992 schloss er sein Studium mit einer Abschlussarbeit über Lautmalerei in der chinesischen Sprache ab. Von 1988 bis 1990 war er Mitarbeiter beim "Nachtflug" von Radio 100. Seit 1994 ist er freier Hörspielautor und -produzent in Berlin. 1997 wurde er mit dem Hörspielpreis der Akademie der Künste ausgezeichnet, für die er im Jahr 2000 den PLOPP!-Wettbewerb für unabhängige Hörspielmacher im Rahmen der "Woche des Hörspiels" konzipierte.

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Mitwirkende

Sonstige MitwirkendeFunktion
Hermann BohlenO-Töne


 


Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Südwestrundfunk 2009

Erstsendung: 03.07.2009 | 54'25

Darstellung: