ARD-Hörspieldatenbank

Originalhörspiel
L. E. – Triptychon (2. Teil: Die verlorenen Söhne)
Redaktion: Peter Liermann
Dramaturgie: Peter Liermann
Technische Realisierung: Roland Grosch
Regieassistenz: Ricarda Franzen
Regie: Robert Schoen
Vor fast hundert Jahren beginnt Robert Schoens neues Hörspiel "Die verlorenen Söhne". Am 9. März 1918 zählt der aus Tizi Ouzu in Algerien stammende Buhamad Azau ben Ali plötzlich bis zehn. Das Dokument dieses Ereignisses – eine Schellackplatte mit der Archivnummer PK 1229 – wird heute im Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin aufbewahrt. Ort der Aufnahme: das so genannte Halbmondlager bei Wünsdorf in der brandenburgischen Heide südlich Berlins. Versprengte Söhne Mohammeds aus aller Welt sollten hier einer Gehirnwäsche unterzogen werden, um als dschihadistische Agenten einer deutsch-türkischen Waffenbruderschaft den 1. Weltkrieg doch noch zu Gunsten des Deutschen Reiches zu entscheiden. An den Reglern: Sprachwissenschaftler Wilhelm Doegen, der sich nicht um Sultane und Schicksale kümmert, den der Kriegskaiser nur als Finanzier seiner Vision interessiert: Den Stimmen der Welt im märkischen Sand nachzulauschen, und sie für die Nachwelt auf Walzen zu ritzen und auf Platten zu pressen. Am 9. März 2015 sitzt der 37-jährige gebürtige Braunschweiger Etzel Mauss visionsermattet in seiner 20m2 Wohnung im 11. Pariser Bezirk und schreibt einen Brief: »Vati! Lieber Vati, ich hoffe, Dir geht es gut. Es tut mir sehr leid, was damals passiert ist. Ich habe einen großen Fehler gemacht ...« Wenn Herr Mauss den Entwurf seines Briefes vorliest, dann in so genannter Knarrstimme und unter Verwendung regelmäßiger Hesitations-Vokalisationen. Ohnehin ist die Stimme etwas verbraucht, findet Prof. Dr. Bernd Pompino-Marschall beim Abhören der Aufnahmen aus Paris. Der emeritierte Sprachwissenschaftler weiß in seiner geräumigen Berliner Professorenwohnung auch nicht, ob der Brief an den Vater jemals abgeschickt wird – interessiert ihn auch gar nicht. Was hingegen fasziniert, sind die wilden Interjektionen von Etzel Mauss, interessanterweise ingressiv. Aber auch der Mund- und Rachenraum des Wissenschaftlers selbst eignet sich nicht schlecht für speläologische Spekulationen.
Robert Schoen, geboren 1966 in Berlin, studierte Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen. Er arbeitet für das Radioarbeiten seit Mitte der 90er Jahre. 2011 erhielt er den Hörspielpreis der Kriegsblinden für »Schicksal, Hauptsache Schicksal« sowie ARD Online Award 2013 für »Heidi Heimat«.