ARD-Hörspieldatenbank


Originalhörspiel



Klaus Buhlert

Hölderlin. Geschichte einer Abschiebung


Komposition: Klaus Buhlert

Redaktion: Herbert Kapfer

Technische Realisierung: Andreas Meinetsberger

Regieassistenz: Kathrin Herm


Regie: Klaus Buhlert

Regisseur und Komponist Klaus Buhlert hat sich Briefe und Gedichte Hölderlins vorgenommen und in der ihm eigenen Art in unsere Zeit transportiert: Und zwar indem er einen zugewanderten Rapper im "Deutsch-Test für Zuwanderer" Hölderlins Gedichte wählen und in der mündlichen Prüfung zum Vortrag bringen lässt. Kann er so seine Abschiebung verhindern? Briefzitate und Rap-Zeilen vermischen sich in diesem Hörspiel zu einem ganz neuen Bild von Hölderlins Werk und seiner Sprache.

"Hölderlin? Nein, kennt er nicht, ist er auch nicht. Heute ist er Scardanelli, gestern Fürstlicher Biebliedekarius, morgen Killalusimeno. Hölderlin ist ein Sufi der deutschen Literatur, ein Sonderling, närrisch und verlacht, bis hin zum Aufschrei, zum Verglühen, zur Auflösung. Andere schreiben über Mystik, er verkörpert sie: "Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, dass es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt!" Das könnte auch O-Ton der Sufis im 10. Jahrhundert sein, und klingt 200 Jahre nach Hölderlin zugleich wie eine Fanfare des Rock 'n' Roll: "It's better to burn out than to fade away" - so nämlich singt es Neil Young 1979 in My My, Hey Hey (Out of the blue) - und im Abschiedsbrief von Kurt Cobain findet man genau diese Zeile... In späteren Briefen an seine Mutter nimmt Hölderlin in höchst förmlichen Worten Abstand von seiner Höflichkeit gegenüber ihr und der Welt: "Verehrungswürdige Mutter! Ich habe die Ehre, Ihnen zu bezeugen, dass ich über den von Ihnen empfangenen Brief recht erfreut seyn musste. Ihre vortrefflichen Äußerungen sind mir sehr wohltätig, und die Dankbarkeit, die ich Ihnen schuldig bin, kommt hinzu zu der Bewunderung Ihrer vortrefflichen Gesinnungen." Berichte aus Hölderlins zweiter Lebenshälfte, einer Zeit der Umnachtung im Tübinger Turm - die gleichwohl noch einige der hellsichtigsten Verse deutscher Sprache hervorgebracht hat, klingen schauderhaft. Selbst Hölderlins Mutter, die ihm und allen gegenüber so durchhaltend steif war, explodieren in den Briefen plötzlich die Gefühle. Trotzdem hat sie Friedrich, ihren Sohn, in den verbliebenen fast vierzig Jahren nicht ein einziges Mal besucht. Um die fünfzig Gedichte und etwas weniger Briefe dieses Zeitraums sind in offenbar zufälliger Auswahl erhalten. Wie man sie zu lesen hat und wofür sie wohl stehen, war von Anfang bis heute eine offene und stets faszinierende Frage, die meist unabhängig von der Auslegung seiner großen Dichtung diskutiert wurde." (Klaus Buhlert)

Klaus Buhlert, geb. 1950 in Sachsen-Anhalt, freier Komponist und Hörspielregisseur. BR-Hörspiele und Hörspielregien u. a. Hotels (von Raoul Schrott, 1995, Hörspiel des Jahres), Finis Terrae (mit Raoul Schrott, 1996), Der Mann ohne Eigenschaften. Remix (von Robert Musil, 2004, Deutscher Hörbuchpreis), Die Serapions-Brüder (von E. T. A. Hoffmann, 2006), Die Schlafwandler (von Hermann Broch, 2008), Der Process (von Franz Kafka, 2010), Die Blendung (von Elias Canetti, 2013), Meister und Margarita (von Michail Bulgakow, 2014), Das Schloss (von Franz Kafka, 2017), Das Ende der Paraden (von Ford Madox Ford, 2018).

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Jens Harzer
Bibiana Beglau
Felix Goeser
Uchenna van CapelleveenMegaloh


Regisseur Klaus Buhlert | © SWR/Monika Maier

Regisseur Klaus Buhlert | © SWR/Monika Maier


Regisseur Klaus Buhlert
© SWR/Monika MaierRegisseur Klaus Buhlert
© SWR/Monika Maier



PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2017

Erstsendung: 20.07.2018 | Bayern 2 | 21:05 Uhr | 45'18


REZENSIONEN

  • Stefan Fischer: Gefühlsstau. In: Süddeutsche Zeitung vom 20.07.2018. S. 29.

 

 

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