ARD-Hörspieldatenbank

Sendespiel (Hörspielbearbeitung)
Peter Pink
Schwank in drei Aufzügen
Schwank aus dem Hamburger Volksleben in drei Aufzügen (Die Norag)
Vorlage: Peter Pink (Theaterstück, niederdeutsch)
Regie: Richard Ohnsorg
"Betrifft: Peter Pink / Von Wilfried Wroost. Du würdest ohne Zweifel gut tun, verehrter Hörer, wenn du diese meine Zeilen vor der Aufführung lesen würdest, weil sie etwas wie eine Einleitung bedeuten sollen. Nachher, wenn Peter Pink die denkwürdigen Worte: "Ton Fulenzen is de Minsch nich op de Welt komen!" gesprochen hat und das Stück somit zu Ende ist, kannst du dir das Lesen getrost ersparen, denn dann wäre es ja keine Ein-, sondern eine Ausleitung, und die gibt es nicht; in der Rechtschreibung der deutschen Sprache von Herrn Geheimrat Dr. Duden jedenfalls ist dieses Wort nicht zu finden. / Doch Scherz beiseite! Du mußt nämlich wissen, geschätzter Hörer, zum besseren Verständnis gewissermaßen, daß mein Peter Pink in der Inflationszeit spielt, so um 1922 herum, als die Brennstoffe noch rationiert waren und Kohlenhändler vom Schlage eines Thetje Dreyer es wagen durften, siebzig Pfund für einen Zentner wegzugeben, wenn sie mal "so hintenherum" lieferten. Du erinnerst dich gewiß noch jener Zeit, als die Mark immer tiefer sank und viele Leute, krampfhaft darüber nachsannen, ob sie nicht etwa in Amerika einen Verwandten hätten, der ihnen ein paar Dollarnoten schicken könnte. Mein Peter Pink gehörte auch zu denen, denn als er einmal auf einer, aus den amerikanischen Heeresbeständen stammenden Dose Leberwurst den Hersteller: Edward Pink Lmtd., Chicago, las, war er fest im Glauben, das wäre sein Onkel Eduard, der vor vielen Jahren ausgewandert war. Er schrieb deshalb einen freundlichen Brief an Mr. Edward Pink LMtd., Chikago, und bat zwecks Gründung eines Geschäftes um dreitausend bis viertausend Dollar. Wenn - ich meine, wenn die Dollars angekommen wären, dann hätte Peter Pink, wie er es sich so schön ausgedacht hatte (wobei er längelang ausgestreckt auf dem Sofa zu liegen pflegte), ein besseres bürgerliches Restaurant eröffnet oder ein Möbelgeschäft gegründet (Ankauf alter Mobilien, Aufarbeiten derselben und Verkauf an junge Brautleute mit 500% Reingewinn), oder er hätte sich mit Thetje Dreyer assoziiert, und beide wären jetzt Inhaber eines großen Kohlenkontors gewesen. So aber - weil Peter von Tag zu Tag vergeblich auf die Dollars wartete und deshalb keine andere Arbeit annahm, konnte sein Schwager, in dessen Augen mein Held der faulste Kerl auf Gottes Erdboden war, seinen Trick ausführen. Er wollte nämlich seine Schwester und ihre Kinder mit nach Elmshorn nehmen, weil er es nicht länger mit ansehen konnte, daß Frau Pink ihren zweiten Mann ernähren mußte. Was also tat jener Schwager? Er wollte Peter, damit ihm sein Vorhaben gelang, vom Hause weglocken, schrieb daher einen Brief, angeblich von Edward Pink aus Chikago stammend, aber soeben in Bremerhaven gelandet, und ließ diesen Brief bei Peter abgeben. Nun denk dir, geschätzter Hörer, hin nach der Wesermündung reist Peter und sucht dann dort vergeblich von Hotel zu Hotel laufend, den lieben Onkel aus dem Dollarland. Lache nicht darüber, wenn du erfährst, daß Peter, als er ihn nirgends findet, bitter enttäuscht nach Hamburg zurückwandern muß, zu Fuß natürlich, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche, ohne Ausweispapiere, weshalb er unterwegs wiederholt von den Landjägern ins Spritzenhaus eingebuchtet wurde. Oh, lache darüber nicht, auch dann nicht, wenn er endlich müde und hungrig, mit zerrissenen Hosen und Stiefeln ohne Sohlen nach langer Irrfahrt durch die Lüneburger Heide wieder zu Hause anlangt und bald erfahren muß, daß seine Frau mit den Kindern jetzt bei ihrem Bruder in Elmshorn lebt, und daß sie Wohnung und Hausrat an ein junges Ehepaar veräußert hat, und daß dessen Onkel, der Landwirt Eduard Pägelow aus Kröpelin, jetzt zufällig hier bei den jungen Leuten zu Besuch weilt, daß also jener Koffer in der Ecke mit den Buchstaben E. P. ihm gehört und nicht etwa Peters Onkel Edward Pink. So bleibt dem armen Peter, der sich eben noch erneut in dem guten Glauben wiegte, sein Onkel sei vor ihm eingetroffen und er hätte jetzt die vielen Dollars zu erwarten, und könnte sich dann zur Ruhe setzen und Villenbesitzer an der Alster werden, weshalb er den Thetje Dreyer hinauswirft, da Reichtum bekanntlich verpflichtet und ein Peter Pink unmöglich mit einem kleinen Kohlenschieber verkehren kann, da bleibt ihm zu guter Letzt nichts anderes übrig, als Knecht bei Eduard Pägelow zu werden." (Die Norag, 6. Jahrgang, Nr. 31 vom 2. August 1929, S. 11)