Originalhörspiel

Autor/Autorin: Ernst Richert

Zehn Apfelsinen

Regie: Hanns Korngiebel

Gorden, Feuilletonredakteur einer ostzonalen "überparteilichen" Zeitung, führt das Doppelleben der Intellektuellen der Ostzone: er veröffentlicht in seinem Feuilleton "Stalin-Hymnen" und andere "Volkskorrespondentenelaborate", nachts jedoch schreibt er hinter verschlossenen Türen für westliche Zeitungen exakte Berichte über Enteignungen des Privatbesitzes und über die immer notwendiger werdende Verwandlung der Menschen in der Zone in Schauspieler und Tarner. Seine Sekretärin, Vera Roeder, Tochter eines im Konzentrationslager Oranienburg ermordeten Obersten, ist seine Vertraute. Die SED-Funktionäre des Zeitungsbetriebes verdächtigen Gorden der heimlichen Sabotage und zwingen Vera, die "Reaktionäre", Gorden zu bespitzeln. Sie meldet aber nichts. Gorden beschwört sie, als er ihre Lage erkennt, mit ihm in den Westen zu fliehen. Vera lehnt jedoch ab, weil sie ihre schwerkranke Mutter nicht allein zurücklassen will. Gorden fährt im Parteiauftrag nach Berlin und bringt bei dieser Gelegenheit seine Arbeiten bei westlichen Freunden unter. Vera merkt mit Schrecken, daß die Gefahr für Gorden ständig wächst und fleht ihn an, von der nächsten Fahrt nicht mehr zurückzukehren. Gorden weigert sich entschieden, ihrem Wunsche nachzukommen; er willigt schließlich nur ein, wenn das Telegramm kommt, das die Gefahr der Verhaftung meldet: "Dr. Fleischer, Berlin-Friedenau, Ringstr. 10, bittet sofort 10 Apfelsinen senden. dringend Vera", in Westberlin zu bleiben. Als Veras Versuche, Gorden von der Rückkehr abzuhalten, immer wieder vergeblich bleiben, entschließt sie sich eines Tages, als äußerste Gefahr für Gorden besteht, zu einem Gewaltstreich: sie denunziert den Geliebten bei der Partei und schickt zugleich das Warntelegramm ab. Gorden kehrt nicht mehr zurück, Vera bleibt erstarrend allein in der Zone der Sklaverei.