ARD-Hörspieldatenbank

 

Hör- und Sendespiele der Weimarer Republik


Hans Flesch

Hans Flesch (1924–1929 Künstlerischer Leiter der SÜWRAG) in einer Aufnahme von 1925/1926
© DRA/Nini & Carry Hess

Zum Literaturprogramm des kulturell ambitionierten Rundfunks der Weimarer Republik gehörten neben Rezitationen und Autorenlesungen ab 1924 in zunehmendem Maße auch Theaterstücke. Sie wurden in voller Länge, gekürzt oder in einzelnen Szenenfolgen, selbstständig, in Zyklen gestellt oder in einen programmatischen Zusammenhang eingebettet vornehmlich im Abendprogramm der Sendegesellschaften ausgestrahlt. Oft arbeiteten Rundfunk und Theater zusammen. Neben Rundfunksprechern wirkten wiederholt auch namhafte Bühnenschauspieler und -regisseure mit. Inhaltlich lag der Schwerpunkt auf Unterhaltendem. Formal-ästhetisch blieben die Sendespiele weitgehend klassischer Dramaturgie verpflichtet, was bereits seinerzeit Kritik erregte.

Die funkadäquate Inszenierung der Dramenliteratur wurde "Sendespiel" genannt. Aus der Schwierigkeit, funkgeeignete Vorlagen zu finden, entstand bei den Programmverantwortlichen der Wunsch nach einer rundfunkeigenen akustischen Kunstform. Das Hörspiel, in der Theorie ab 1924 in den Rundfunkzeitschriften lebhaft diskutiert, wurde in der Praxis aus Mangel an geeigneten Autoren zunächst nur von Rundfunkmitarbeitern selbst entwickelt.

Alfred Braun

Alfred Braun (1925–1933 Leiter der Abteilung Schauspiel bei der Funk-Stunde Berlin) 1926
© DRA/Nicola Perscheid

Mit Preisausschreiben der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, dem ab 1926 tätigen organisatorischen Dachverband der Sendegesellschaften, mit verbesserten Honorarzahlungen an die Verfasser, zu denen sich bekannte freie Schriftsteller nur sehr zögernd gesellten, und durch Vergabe von Aufträgen wurde versucht, die Hörspielproduktion zu fördern.

Nach anfänglicher Dominanz des Sendespiels in den Programmen gewann das Hörspiel schließlich ab 1928 an Bedeutung und erlebte 1929 bei regional differenzierter Ausprägung eine Blütezeit.

Sende- und Hörspiel nutzten zunehmend die technischen Möglichkeiten des Mediums und entfalteten sie zu künstlerischer Wirkung, von der Überblendtechnik bis hin zu Schnitt und Montage, wie sie ab 1929 durch Aufzeichnungstechniken realisierbar wurden.

Hans Bodenstedt

Hans Bodenstedt (1924–1933 Chefredakteur der künstlerischen und wissenschaftlichen Abteilung der NORAG)
© DRA/A. von Zychlinski

Das Hörspiel der Weimarer Republik war literarisch-ästhetisch anspruchsvoll, inhaltlich belehrend oder belanglos unterhaltend. Unterschiedlichste Formen wurden geprägt, von der Revue über das Lehr- hin zum Volksstück. Es gab Hörspiele mit aktuellem zeitlichen Bezug und reportagehafte Dramen. Zensur verhinderte allerdings weitgehende politische Bezüge. Frühe Experimente einer rein akustischen Kunst blieben die Ausnahme.

Hans Fleschs radiophone Selbstreflexion "Zauberei auf dem Sender" (Ursendung bei der SÜWRAG am 24.10.1924) gilt heute als das erste Originalhörspiel der deutschen Rundfunkgeschichte, das Kriegshörspiel "Brigade-Vermittlung" von Ernst Johannsen (Ursendung bei der Deutschen Stunde in Bayern am 17.10.1929) als das erfolgreichste der Weimarer Zeit. Friedrich Wolfs Polardrama "S.O.S. ... Rao Rao ... Foyn. Krassin rettet Italia" (Ursendung beim Deutschlandsender am  5.11.1929) ist das erste auf Tonträger erhaltene Hörspiel überhaupt. Es wurde 2013 vom Deutschen Rundfunkarchiv auf CD veröffentlicht.
 

(Ulrike Schlieper-Müller)

 
 

Weiterführende Informationen finden Sie in unserer Auswahlbibliographie.

 

 

Tipp

Michaela Melián: Föhrenwald | Zeichung der Siedlung Föhrenwald | © BR/Michaela Melián

Michaela Melián: Föhrenwald
Adolf-Hitler-Platz, Independence Place, Kolping-Platz. Die 1937 in München gebaute Mustersiedlung Föhrenwald hat eine wechselvolle Geschichte. Sie diente als geschlossenes Lager für Zwangsarbeiter der Munitions- und Pulverfabriken in Geretsried, nach dem Zweiten Weltkrieg unter amerikanischer Militäraufsicht als Auffanglager für Displaced Persons - europäische, meist polnische Juden, Überlebende des Holocaust, die als heimatlose Ausländer auf eine Ausreise nach Israel oder Amerika hofften. Erst ab 1955 zogen in Föhrenwald erstmals freiwillige Bewohner ein, kinderreiche Familien und Heimatvertriebene, die sich Siedler nennen.

Anzuhören in der Podcast-Reihe "100 aus 100: Die Hörspiel-Collection" von ARD und Deutschlandfunk Kultur

 

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