»Kurzhörspiele im Dienste der Spionageabwehr«. In: Nationalsozialistische Rundfunkkorrespondenz (RK), Folge 21, Blatt 2, 23.05.1939 | Bildquelle: DRA

Zur psychologischen Mobilmachung der deutschen Bevölkerung

»Der Krieg im Dunkeln« (1939)

Die Politik der NS-Machthaber war von Anfang an auf Kriegsvorbereitung ausgerichtet – entgegen dem Schein, der nach außen erweckt wurde. Die deutsche Bevölkerung wurde psychologisch auf den Krieg vorbereitet. Dabei kam dem Rundfunk, dem damals modernsten Massenkommunikationsmittel, eine Schlüsselrolle zu. Die inhaltliche Programmgestaltung stand unter vollständiger Kontrolle des von Goebbels geleiteten Propagandaministeriums. Auch die Wehrmachtsführung war der Ansicht, dass der psychologischen Mobilmachung der Zivilbevölkerung in der Phase der Kriegsvorbereitung eine zentrale Bedeutung zukommen sollte. Im Frühjahr und Sommer 1939 war die Propaganda direkt darauf zugeschnitten. Die Kurzhörspielreihe »Der Krieg im Dunkeln« ist ein Beispiel für diesen Zuschnitt und für die enge Zusammenarbeit zwischen Rundfunk und Wehrmacht.

Der Reichssender Berlin in Zusammenarbeit mit der Abwehrstelle des Wehrkreises III, einer territorialen militärischen Verwaltungseinheit der Wehrmacht in Berlin, sendete in der Zeit vom 26. April bis zum 24. Mai 1939 immer mittwochs um 19:15 Uhr fünf Kurzhörspiele, die, jeweils 30 Minuten lang, unter dem Reihentitel »Krieg im Dunkeln« der Spionageabwehr dienen sollten und daher Spionage, Verrat und Sabotage thematisierten. Die militärische Abwehrstelle hatte im selben Zeitraum eine »Spionageabwehr- und Aufklärungsaktion« gestartet, mit der die Bevölkerung über die Methoden ausländischer Spionagedienste informiert werden sollte. Der Rundfunk als modernstes Instrument der Propaganda wurde mit hinzugezogen, um die Aktion zu begleiten und für entsprechende Verbreitung zu sorgen, unterstützt von allen Behörden und NS-Parteistellen. Die Hörspielreihe wurde, im NS-Jargon, als »volkswichtig« eingestuft. Ziel der geschickt thematisierten Spionagefälle war die Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber dem Wirken ausländischer Spione und Agenten. Gewarnt wurde vor Gefahren, die aus Unwissenheit und Leichtfertigkeit entstehen können. Den Hörerinnen und Hörern sollte vor Augen geführt werden, welche Folgen Leichtgläubigkeit, Schwatzhaftigkeit, Geldgier und Renommiersucht für jeden einzelnen, aber auch für die Familie haben können. »Es gibt nur eine Strafe«, wurde unmissverständlich klargestellt, »die den Spion, den Verräter und den Saboteur treffen kann, das ist die Todesstrafe.«[1]

Die Kurzhörspiele der Reihe haben folgende Einzeltitel und Autoren: »Ein besonderer Junge« von Karl Unselt, »Bei der Baumblüte in Werder« und »Saboteure« von Werner E. Hintz, »Der Schleusenmeister« von Alfred Prugel sowie »Die Sache mit Bertram« wiederum von Werner E. Hintz. Alle Hörspiele standen unter der Spielleitung von Max Bing, der in den 1930er Jahren vielen als Schauspieler und Hörspielregisseur bekannt war.

Anhand von Tatsachenmaterial, so die betonte Mitteilung der militärischen Abwehrstelle, werden in den jeweiligen Folgen einzelne »Spionageverbrechen«, dichterisch abgewandelt, von ihrer Entstehung bis zur Bestrafung, in knappen, aber plastischen Dialogen geschildert. »Die Kurzhörspiele des Reichsenders Berlin«, so das abschließende Fazit der »Nationalsozialistischen Rundfunk-Korrespondenz« im Mai 1939, »haben die Hörer aufgerüttelt, haben sie hellhörig gemacht, haben ihnen gezeigt, wo der Feind steht, welcher Art seine Mittel sind und welchen Zielen er nachjagt. Diese Aufklärungsarbeit, als eine Gemeinschaftsleistung von Rundfunk und Wehrmacht, ist durchschlagend.«[2]

Ausführlich begleitet wurde die Hörspielreihe in der Rundfunkpresse. »Der Deutsche Rundfunk«, »Funk-Wacht«, »Neue Funkstunde«, »Ostfunk«, »Die Sendung«, »Südwestdeutsche Rundfunk-Zeitung« und weitere Programmzeitschriften bewarben die Kurzhörspiele im Sinne der NS-Ideologie mit zum Teil ausführlichen Beiträgen zu Inhalt und Anliegen. Es sind dies die einzig verfügbaren Quellen, die Auskunft über »Der Krieg im Dunkeln« geben können. Die Kurzhörspiele selbst sind heute nicht überliefert.

Von den Autoren der Reihe waren die Schriftsteller Karl Unselt und Werner E. Hintz auch nach 1945 weiter tätig. Unselt veröffentlichte eine Reihe von Unterhaltungsromanen, Hintz arbeitete u. a. als Hörspiel- und Drehbuchautor. Das weitere Wirken von Schriftsteller Alfred Prugel ließ sich nicht ermitteln.

Jörg-Uwe Fischer

Kurzhörspiele während der NS-Zeit:

Kurzhörspiele waren keine Erfindung des NS-Rundfunks, neu war aber die Zusammenstellung von mehreren Kurzhörspielen zu einer Serie, darunter etwa Luftschutz-Hörspiele, Hörspiele zur Unterstützung des Winterhilfswerkes oder eben solche zur Bekämpfung der Spionage. Sie dienten propagandistischen Absichten ebenso wie der Unterhaltung. Gedacht zur Auflockerung des musikalischen Programmangebots, kam es bei den Kurzhörspielen darauf an, die Hörerinnen und Hörer in den Bann zu ziehen durch dramatische und aufregende Situationen. Die Kurzhörspiele nahmen nicht mehr als eine halbe Stunde Sendezeit in Anspruch. Wegen der kurzen Zeitspanne waren keine Nebenhandlungen möglich, die Geschichte musste stringent und mit entsprechend dramatischer Wucht erzählt werden.

Mehr zu Hörspielen während der Zeit des Nationalsozialismus

Die vergleichsweise wenigen Hörspiele während der Zeit des Nationalsozialismus verlangen eine gesonderte Betrachtung und sind deshalb für die Hörspieldatenbank noch nicht bereitgestellt.

Zur Person Max Bing

Max Bing (1885 – 1945) war Schauspieler und Regisseur. Zunächst war er am Theater aktiv, ab 1911 auch bei Stummfilmproduktionen. Ab 1927 verlagerte er den Schwerpunkt seiner Arbeit zum Hörfunk, wo er als Sprecher arbeitete und Hörspiele realisierte. Seine heute bekannteste Arbeit ist die Hörspielproduktion »Die Geschichte von Franz Biberkopf« (1930) nach der Vorlage von Alfred Döblins Roman »Berlin Alexanderplatz«. Während der NS-Zeit arbeitete Bing weiter beim Radio, ab 1942 aber auch wieder vermehrt für den Film, u.a. bei der Filmgesellschaft Tobis.

Literatur-Tipps:

  • Diller, Ansgar (1980): Rundfunkpolitik im Dritten Reich. München: dtv.
  • Döhl, Reinhard (1992): Das Hörspiel zur NS-Zeit. Geschichte und Typologie des Hörspiels. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.